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Meine Untaten haben sich bei Lichte
betrachtet zu meinem Nutzen, aber auch zu meinem Nachteil ausgewirkt.
Während die juristisch bedenklichen Untaten nötig waren, so waren die
moralisch bedenklichen Untaten völlig unnötig und nachteilig.
Juristisch bedenkliche Untaten
Mit meinen juristisch bedenklichen Untaten
fing es erst lange nach meiner Entlassung aus der Volksschule an, hing
aber damit eng zusammen. Denn nachdem ich in der fünften Klasse
sitzengeblieben war hatte ich in der siebenten Klasse wieder das
Klassenziel nicht erreicht. Also zum zweiten mal sitzengeblieben.
Inwieweit das mein versagen war soll dahigestellt bleiben. Acht Jahre
Grund- und Volksschule hatte ich besucht und wurde nun ohne
Schulabschluss entlassen. Das wertlose Entlassungs- und Abschlusszeugnis
habe ich nach Erhalt demonstrativ zerrissen. Denn dieses Dokument,
ausgestellt von subalternen Gutachtern und Entscheidungsträgern, taugt
zu nichts weiter als zur Entwürdigung des betroffenen Kandidaten.
Den Start in den
Ernst des Lebens vor mir,
war
ich zunächt als Knecht und Kutscher ohne Lohn zuhause tätig. Das gefiel
mir immer weniger und so bemühte ich mich, von zuhause wegzukommen.
Durch Glücksumstände bin ich schließlich auf der VE-Besamungsstation in
Erfurt gelandet. Das geforderte Abschlusszeugnis der Volksschule
erklärte ich als unauffindbar und so sollte es gelegentlich nachgereicht
werden. Die Akte wurde mit einem entsprechenden Vermerk geschlossen,
wobei es blieb
Im
Rahmen der Ausbildung zum Besamungstechniker habe ich dazu für die
Zulassung zu einem Besamungskursus in Berlin Schönow erneut das fehlende
Zeugnis als verlorengegangen erklärt und das die Sache
auf
meiner Dienststelle der VE-Besamung in Erfurt abgeklärt, registriert und
aktenkundig sei. Das wurde akzeptiert und ich für den Kursus zugelassen,
bestand die Prüfung und hatte am Ende endlich ein Zeugnis zum Herzeigen.
Meine praktische Tätigkeit als
Besamungstechniker/Rucksackbulle machte mir nach anfänglichen Problemen
keine Schwierigkeiten mehr, nur mit dem Ausfüllen der Besamungsscheine
und allen anderen schriftlichen Arbeiten haperte es sehr. Denn ich
wusste nicht ob Gustav mit f oder v, Blässe mit s, ß, oder doppeltem s
geschrieben wurde usw., usw. Zu allem Überfluss plagte mich mein
Übermut, ich glaubte alles was ich wollte erreichen zu können und hatte
schließlich die fixe Idee das Leben als Student erleben zu wollen. Dafür
hatte ich eigentlich keinerlei Berechtigung aber genügend Energie, die
für mich unerfüllbaren Anforderungen zu umschiffen.
Mit meinen Bewerbungen an vielen in- und
ausländischen Universitäten mit allem was ich zu bieten hatte wurde ich
nirgends akzeptiert. Auf Umwegen wurde dann die Fachschule für
Landwirtschaft und Gartenbau in Dresden Pillnitz mein Ziel, wo ich mir
mein künftiges Studentenleben erträumte. Der abgeschlossene Beruf als
Facharbeiter für Tierzucht und die bestandene Aufnahmeprüfung vor
Studienbeginn waren die zu bewältigenden Zulassungskriterien; beides
fehlte mir noch.
Die Berufliche Anerkennung habe ich als
Facharbeiter für Tierzucht auf zwei Kursen für Melker in Wippra Südharz
erworben. Denn Besamungstechniker war kein anerkannter Lehrberuf. In
große Verlegenheit geriet ich jedoch bei einer Erhebung, die den Status
der Kursteilnehmer ermittelte. Bei der Frage, wer hat die
Abschlussprüfung in der achten Klasse erreicht, meldeten sich alle um
mich herum. Also meldete ich mich zögernd auch. Als sich noch ein paar
Kandidaten, die in der siebenten Klasse und darunter meldeten, war ich
versucht meine Schwindelei zu korrigieren, habe es aber dann doch
gelassen. Als nach einiger Zeit die selbe Frage in einem Formular zur
Beantwortung anstand habe ich mit schlechtem Gewissen bescheinigt: dass
ich die Volksschule in Körner Thüringen besucht und den Abschluss in der
achten Klasse mit 3 (befriedigen) erreicht habe. Danach ging mir diese
Schwindelei, die mir anfangs große Sorgen machte, immer leichter von der
Hand und ist nirgendwo in Fragegestellt worden. Und nicht zuletzt habe
ich die Zulassung als ordentlich studierender der Veterinärmedizin an
der Tierärztlichen Hochschule in Hannover über die sogenannte
Begabtenprüfung (Ordnung der Prüfung für die Zulassung zum
Hochschulstudium ohne Reifezeugnis) erreicht und hatte meinen
Wunschtraum damit erreicht.
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Eines Morgens werde ich in einem Hotelzimmer wach, die Sonne steht hoch
am Himmel, ich weiß nicht, wo ich bin, und fürchte verschlafen zu haben.
Mein Brummschädel lässt Rückschlüsse zu, die auf eine
Alkoholintoxikation als Folge eines schweren Trinkgelages schließen
lassen. Mir will nicht einfallen wo ich bin und mit wem ich am Tags
zuvor oder am Abend bis in die Alkoholnarkose getrunken habe. Wie ich in
das fremde Hotelzimmer gekommen bin, weiß ich bis heute nicht. Es ist
nobel und großzügig eingerichtet und als ich mich im Bad umsehe,
entdeckte ich auf den Wasserhähnen „hot“ und „cool“. Mir wird klar, ich
bin nicht in Deutschland.
Auf der Bettkante sitzend denke ich nach und
brauche eine Weile bis mir langsam dämmert, dass ich auf einer
Dienstreise in Irland bin. Im Labor der KB-Station von Sligo in
Nordwestirland soll ich herausfinden, warum die Tiefgefrierkonservierung
von Bullensperma mit dem aus Deutschland gelieferten Chemikalien nur
unzureichende Ergebnisse bringt. Den Abend zuvor hatte ich mit meinen
irischen Kollegen in einer Kneipe gezecht, nachdem wir den Fehler
tagsüber im Labor gefunden hatten. Mit Schrecken fällt mir auf, dass ein
großer Teil meiner Sachen noch im Mietwagen sein muss. Denn ich war
dabei in ein besseres Hotel umzuziehen. Den Autoschlüssel finde ich in
meiner Hosentasche, aber vom Auto keine Spur. Zum Glück fällt mir der
Name der Kneipe wieder ein, und so bringt mich eine Taxe zum „Shipers
In“. Das Auto ist unversehrt vor der Kneipe geparkt und so machte ich
mich mit meinem Brumschädel auf zur KB-Station. Im Labor ist reges
Treiben, als ich mit großer Verspätung ankomme, und die anfänglich
reservierte Stimmung ist mir gegenüber inzwischen freundlicher geworden.
Den zunächst undankbar erscheinenden Auftrag in einem fremden Labor
einen Fehler im Arbeitsablauf zu finden, hatte ich mit viel Glück
gelöst. Denn mir fiel auf, dass die verwendeten Chemikalien,
geringgradig verklumpt erschienen, ähnlich wie Kochsalz, das bei hoher
Luftfeuchtigkeit Wasser aufnimmt und verklumpt. Bei der weiteren
Verarbeitung zeigten Kontrollmessungen abweichende pH-Werte, womit sich
des Rätsels Lösung offenbarte; die Chemikalien waren verdorben. Ich war
froh, den Fehler gefunden zu haben und die Iren freuten sich, weil sie
keinerlei Schuld an der Misere traf, denn die chemischen Teilkomponenten
mit der Arbeitsrezeptur waren in Deutschland zusammengestellt worden.
Mit ironischem Unterton und Freude sagte mir mein Kollege mehrfach: „You
clever Germans got the blame“ (Ihr klugen Deutschen seit die
Verursacher). Die Freude war jedoch viel größer auf meiner Seite hatte
ich doch meine Aufgabe bis hierhin überzeugend gelöst wie ich meinte.
Zurück in Deutschland habe ich als nächstes meinen alten Chemieprofessor
Dr. D. von der Tierärztlichen Hochschule Hannover angerufen, der mir
auf meine Beschreibung, den Chemismus, der zur Verklumpung geführt
hatte, haarklein erklärte. Nach dem Einwiegen (Vermengen) der
Chemikalien hatten sich während der Lagerung schwerlösliche komplexe
Moleküle gebildet. In meinem Bericht habe ich dann beschrieben, dass ich
die Verklumpung der Chemikalien als Hinweis erkannt und die ursächliche
Reaktion der beteiligten Chemikalien ableiten und via pH-Wert überprüfen
konnte. Die Anerkennung, die mir danach zuteil wurde, genoss ich sehr,
habe aber mit vorgetäuschter Bescheidenheit die Angelegenheit heruntergespielt.
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Als ehemaligen Volksarmisten wollte mich die Bundeswehr verpflichten,
nachdem ich der DDR den Rücken gekehrt und mich in Mittelfranken
eingerichtet hatte. Die Vereidigung, die bei der Bundeswehr wie ehemals
bei der Volksarme unumgänglich war/ist, machte mir große Sorge, weil ich
keine erneute Vereidigung eingehen wollte. Denn mein Meineid der DDR
gegenüber bereitete mir nach wie vor Unbehagen. Abwandern nach England
war der Ausweg, und besonders um Englisch zu lernen, habe ich 1961 meine
Zelte in Mittelfranken abgebrochen und bin als Tourist nach Oxford
gereist.
Durch Bekanntschaften und viel Glück habe ich ohne
Englischkenntnisse nach einiger Zeit Arbeit auf einer Farm gefunden. Als
die erlaubten drei Monate Aufenthaltserlaubnis für Touristen verstrichen
waren, bin ich für einen Kurzurlaub nach Deutschland gereist und danach
gleich wieder auf die Insel zurückgekehrt. Eigentlich war das illegal
und deshalb habe ich bei der zweiten Einreise in das britische
Königreich meinen Ausweis vorgezeigt, nachdem ich beim ersten Mal mit
dem Reisepass eingereist war. Alles verlief problemlos und so habe ich
das fortan mit wechselnden Ausweispapieren immer wieder versucht, bis
ich eines Tages bei der Zollkontrolle aufgefallen bin. In meinem VW-Käfer
hatte ich neben Gummistiefeln noch andere Utensilien, die mich mehr als
unerlaubten Schwarzarbeiter denn als Touristen identifizierten.
Der diensthabende „Imigration officer“ lies mich nach kurzer und scharfer
Vernehmung verhaften. Zwei „Bobby’s“ führten mich ab und brachten mich
schließlich zurück auf das Schiff, mit dem ich gekommen war. Auf dem
Wege dorthin sah ich eine Telefonzelle und bat die Zwei, meinen Chef in
Südwales anrufen zu dürfen. Nachdem sie mir das verweigert hatten,
steuerte ich zielstrebig mit Kraft auf die Telefonzelle zu, woraufhin
mich die zwei in die sprichwörtliche Zange nahmen und sagten: „Boy don‘t
trouble us, we get rid of you“, (etwa: Junge mach uns keinen Ärger, wir
werden mit dir fertig). Ich sah ein, dass ich gegen die zwei keine
Chancen hatte, und gab auf.
Auf dem Schiff angekommen, wurde ich dem Kapitän übergeben, der mich
durch einen Matrosen bewachen lies. Ich konnte mich frei bewegen, nur
der Matrose musste mich auf Schritt und Tritt begleiten. Sorge und Ärger
plagten mich, und so wanderte ich zerknirscht und missmutig in dem
großen Fährschiff umher. Irgendwann stand ich an der Reling, wo das
Schiff auch vertäut war. Die Landungsbrücke war eingeholt, aber der
Spalt zwischen Schiff und Kaimauer war nicht sehr groß, und ich war
versucht, mit einem Sprung vom Schiff an Land zu gehen. Dem Matrosen,
der ein älterer Mann war, sagte ich, dass ich überlegte an Land zu
gehen, und wenn er mich daran hindern wolle, würde ich ihn über Bord
werfen.
Die ganze Zeit hatte er versucht, freundlich auf mich
einzureden, zeigte und erklärte mir mehr vom Schiff als ich hören und
sehen wollte; nur plötzlich quoll es förmlich voller Angst aus ihm
heraus: “I told the Captain I can‘t mannage this gay he is far to big
for me, but the captain did not listen to me“ (Ich habe dem Kapitän
gleich gesagt, dass ich mit diesem Burschen nicht fertig werden kann
[nicht auf ihn aufpassen kann], der ist viel zu groß für mich. Aber der
Kapitän hat nicht auf mich gehört). Es war kein Wunder, dass der Mann
Angst vor mir hatte, denn auf dem Schiff war niemand mehr zu sehen. Dazu
mein grimmiges Verhalten und mein kaum vertrauenerweckendes Aussehen mit
einem wild gewachsenen Vollbart. Er riet mir, nicht zu flüchten, weil
ich mit Sicherheit nicht weit käme, denn das Gelände sei umzäunt, das
Auto unter Verschluss und ich ohne Pass; alles würde nur noch viel
schlimmer, wenn ich von Bord ginge. Ich sah mich erneut geschlagen und
gab auf.
Die anstehende Nacht wollte nicht zu Ende gehen. und als es endlich Tag
wurde, dachte ich schon ich sei vergessen worden. Endlich wurde ich
abgeholt und erneut von einem, dann aber sehr gefälligen, „Imigration
officer“, angehört. Der telefonierte schließlich mit meinem Boss in
Wales und erlaubte mir am Ende die Einreise in das vereinigte Königreich
Großbritannien.
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Einpaar Jahre nach meiner Verhaftung in Großbritannien hatte ich anlässlich einer Dienstreise auf der
Griechischen Seite von Zypern zu tun und wie fast immer fotografierte
ich eifrig was mir vor die Linse kam. Plötzlich höre ich hinter mir in
einem lauten Befehlston: „hands up“! Mit der Kamera in der Hand hebe ich
die Hände, drehe mich um und sehe vier Soldaten, von denen drei ihre
Maschinenpistolen auf mich gerichtet haben. Der vierte Soldat war der
Komandogeber. Ich werde abgeführt und muss dann warten bis ich zur
Vernehmung abgeholt werde. Die Kamera ist konfisziert und mir wird
erklärt, dass ich militärische Grenzbefestigungen fotografiert habe und
wegen des Verdachtes der Spionage verhaftet sei. Der Film soll
entwickelt werden und alles Weitere hinge davon ab, was ich sonst noch
fotografiert hätte. Es dauert ewig lange, bis ich aus meinem kahlen Raum
oder Zelle geholt werde. Mir wird erklärt, dass ich wie in der
Vernehmung angegeben nur ein paar Aufnahmen von den Grenzbefestigungen
gemacht hätte und dass ich mit einer ernst zu nehmenden Verwarnung davon
komme. Die Kamera erhalte ich ohne Film zurück und so bin ich in Gnaden
entlassen.
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Rhodesien mit seiner Hauptstadt Salisbury, jetzt Simbabwe und
Harare,
waren immer mein Lieblingsziel, wenn ich im südlichen Afrika als
Messeinformator oder in anderer Mission (Vorträge, Besamungskurse, Embryo-transfer) unterwegs war. Das änderte sich jedoch, nachdem in
Rhodesien die Zeit der Apartheit durch den rhodesischen Buschkrieg mit
der Unabhängigkeit sein Ende fand. Mit Robert Mugabe (ab 1981
Staatspräsident) wurden in Rhodesien/Simbabwe die weißen Siedler immer
mehr diskriminiert, was eine dramatische Kapitalflucht durch die Weißen
zur Folge hatte. In dieser Zeit habe ich bei meiner Abreise aus Harare
nach Johannisburg einem alten Bekanntem zu Liebe 300 Südafrikanische
Rand (damals etwa 1.300 DM) in bar mitgenommen, die bei der gründlichen
Zollkontrolle am Flughafen entdeckt wurden. Mit meinen Ausreden, ich
hätte sie schon mitgebracht, aber nur vergessen anzumelden, kam ich
immer mehr in die Enge.
Alle Passagiere für meinen Flug waren längst abgefertigt und ich wurde
noch wegen Devisenschmuggel vernommen. Eine offenbar hochrangige hübsche
schwarze Zöllnerin stauchte mich förmlich in Grund und Boden, so dass
ich dachte, mir stehe eine erneute Verhaftung bevor. Doch dann ließ sie
mich in letzter Minute den Koffer packen und an Bord gehen. Ärgerlich
auf meinen Freund und erst einmal fertig mit meinem Lieblingsland
Rhodesien/Simbabwe, habe ich mich auf dem Flug von Harare nach
Johannisburg bei gutem On-Bord Service mit ausreichend Whisky und
Tuborg-Bier von meinem Schrecken erholt. Aus dem ehemals blühendem Land
Südrhodesien ist unter Mugabes Staatsführung das durch Armut und
Hungersnöte gebeuteltes Simbabwe geworden.
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