Panne, Panik und am Ende ein Vollrausch in Costa Rica

 
 









 

 

                      

 

 

 

 

 

 

                             

 

Zu Beginn meiner Tätigkeit im Ausland hatte ich die unterschiedlichsten Schwierigkeiten zu bewältigen, weil mir die Erfahrung fehlte, auf unvermutete Widrigkeiten vorbereitet zu sein. Dennoch habe ich damals jede Anfrage angenommen, die ich erhielt, ohne zu ahnen, was sich manchmal dahinter verbarg. Als ich den Auftrag erhielt, in Costa Rica Embryotransfer (ET) durchzuführen, hatte ich zwar schon eine umfangreiche Praxiserfahrung mit der neuen Technik, musste aber im Atlas erst nachsehen, wo Costa Rica überhaupt zu finden ist.

 

Von Amsterdam ging es mit KLM und einem Zwischenstopp auf den niederländischen Antillen weiter nach Mittelamerika. Den Zwischenstopp in Sint Maarten auf den Antillen nutzte ich zu einem kleinen Ausflug und mit freudiger Erwartung flog ich dann weiter nach Costa Rica. In San Jose angekommen wurde ich schon am Flughafen erwartet; alles war offensichtlich perfekt vorbereitet. Mit dem Auto ging es am nächten Tag oder ein paar Tage später weit in das Landesinnere, bis wir schließlich auf einer abgelegenen Finka ankamen. Ich richtete mir wie immer als erstes ein provisorisches Labor ein, bevor ich mich den Tieren zuwendete. Dabei fiel mir sofort auf, dass die Mikroskoplampe nur ganz schwach glimmte; damit konnte man nicht arbeiten. Es stellte sich schnell heraus, dass das dortige Stromnetz mit 110 Volt betrieben wurde und kein Stromanschluss mit 220 Volt existierte, den ich für das Mikroskop benutzen konnte. Weder ein Elektriker war erreichbar, noch schien auch nur der Schimmer einer Lösung des Problems in Sicht.

 

Nach dem sprichwörtlichen Strohhalm suchend und greifend konnte ich meine innere Panik kaum verbergen. Schließlich entdeckte ich elektrische Hochspannungsdrähte, die ich gedachte anzuzapfen. Niemand wusste, welche Stromstärke sie führten und welche zwei der vier Leitungen für meine Zwecke die richtigen sein könnten.  Egal, was passierte, wenn ich die Leitungen anzapfte konnte ich eigentlich nur noch gewinnen oder es war aus mit dem ET, denn das Programm konnte nicht auf spätere Tage verschoben werden. Die Leute brachten mir ein langes elektrisches Kabel und eine Leiter. Zwei Phasen des Kabels isolierte ich so, dass an den Enden etwas Isolierung zum anfassen verblieb. Denn die zwei Phasern sollten jede um die Hochspannungs- bzw. Freileitung gewickelt werden. Zu allem Pech musste ich mein Glück mit einer Aluminiumleiter versuchen, durch die ich geerdet war und Gefahr lief, bei Stromkontakt einen elektrischen Schlag verkraften zu müssen. Eine Holzleiter, mit der ich vor Stromschlag sicher gewesen wäre, existierte nicht. Auch wollte keiner der Anwesenden auf die Leiter steigen und die Drähte verbinden. Als ich oben auf der Leiter stehend die zweite Phase um die Freileitung wickelte wurde mir von unten freudig zugerufen, dass helles Licht am Mikroskop zu sehen ist. Beglückt stieg ich ab und begann mit meiner Arbeit, nur am Ende musste ich erneut meinen ganzen Mut zusammennehmen und die Drähte wieder abmachen.

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Im Laufe der Jahre bin ich noch öfter nach Costa Rica bestellt worden und habe zu den kommerziell durchgeführten ET-Programmen auch Seminare und Vorlesungen mit klinischer Demonstration zum ET für Veterinärstudenten und Tierärzte abgehalten. Durch diverse Einladungen habe ich dabei das Land bereist und auch einen Abstecher nach Panama gemacht. Nur einmal ist mir eine Einladung zu einer Grillpartie wegen einer hochgradigen Alkoholintoxikation nicht gut bekommen.

 

Im Rahmen einer Fortbildungsveranstaltung, die über mehrere Tage ging, waren die Teilnehmer eines Abends zu einer Grillpartie auf eine Farm bzw. Finka eingeladen. Mir wurde ein bequemer Schaukelstuhl zugewiesen, aber zu Trinken gab es erst eimal nichts. Ich hoffte und wartete auf ein Bier, als plötzlich ein Pickup vorfuhr und eine Kiste weißer Rum mit einer größeren Menge Coca-Cola abgeladen wurde. Ich erhielt ein Brauseglas, das zu einem Viertel mit Rum gefüllt und bis zum Rand mit Coca-Cola aufgefüllt war.

 

Den ganzen Abend wurde ich mit Grillfleisch versorgt und ein Teilnehmer nach dem anderen kam, um mit mir auf Ex zutrinken. Ein prima Abend bis zum Aufbruch, als ich merkte, dass ich nicht aufstehen konnte. Im Kopf war ich sonst noch recht klar, nur die Beinmotorik und mein Gleichgewichtsorgan funktionierten nicht mehr. Zwei Mann griffen mir unter die Arme, transportierten mich ins Auto, und als wir am Hotel angekommen waren, in mein Zimmer. Danach alleine mit meinen Koordinationsstörungen sauste ich plötzlich quer durch das Zimmer, und um nicht zu stürzen, hielt ich mich am Waschbecken fest, dass ich dabei von der Wand riss. Der Knall und die Porzellantrümmer ließen mich kalt, denn ich kroch in mein Bett und schlief ein.

 

Am nächsten Morgen, als ich wach wurde, vielleicht bin ich auch geweckt worden, dachte ich, das Zimmer wird schlimm aussehen. Aber alles war in Ordnung, das Waschbecken an der Wand und das Zimmer spurlos sauber, nur der Koffer fehlte. Ich war ohne es zu merken umquartiert worden. Für den anstehenden Tag standen Vorlesung und Seminar auf dem Plan. In den Vorlesungspausen hörte ich mehrfach „Borracho“, woraufhin ich meinen Dolmetscher fragte, was das heiße. Denn meine fragmentarischen Spanisch-kenntnisse reichten nicht bis „Borracho“. Betrunken ist also das Synonym für „Borracho“. Jetzt  wusste ich, was in der Diskussion war.  Alle hatten ihre Freude an dem Malheur, nur ich mit meinem Brumschädel fand es nicht witzig. Meinen nächsten Vortrag begann ich damit, dass ich jetzt mein Spanischvokabular um einen neuen Begriff erweitert habe, aber nicht etwa traurig sei. Denn mich tröstet, dass „Borracho“ nur eine temporäre Erscheinung ist, während Hässlichkeit und Dummheit als unwiderruflich und permanent weit schlimmer ist. Damit hatte ich die Lacher auf meiner Seite und die schadenfreudige Diskussion schien beendet. Ich wurde auch nicht auf meine Trümmerwüste im Hotel noch auf irgendwelchen  Schadensersatz angesprochen und nicht einmal mein Image schien darunter gelitten zu haben. Es sei denn, ich habe durch meine Dickfälligkeit nichts registriert und mir dadurch ein schlechten Gewissen erspart. Meine mitunter leidgeprüfte Frau sagte zu solchen Eskapaden, wenn sie davon erfuhr: „Männer dürfen das!“ und ihr spöttischer Unterton war dabei nicht zu überhören.