Die Reproduktion/Fortpflanzung im Wandel der Zeit und der Einfluss des Menschen

 
                                

   Beginn der Reproduktion

 
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Die Annahme, wonach sich das Leben auf unserer Erde zuerst in der chemischen und der darauffolgenden biologischen Evolution vor 4 Milliarden Jahren begründet, erscheint nicht nur logisch, sondern ist auch durch experimentelle Forschungsarbeiten schon weitgehend bewiesen. Nach verschiedenen Erklärungen entstanden durch die Reaktion der Elemente unter der Einwirkung von Energie die ersten Bausteine in der Ur-Suppe unseres damals unwirtlichen Planeten, der Ur-Erde. Aus den ersten abiotisch-anorganischen Molekülen bildeten sich organische und präbiotische Verbindungen, langkettige Eiweiß- und andere komplexe Moleküle als Bausteine für verschiedene Zellen. Diese Bausteine der ersten Zellarten leiten mit ihrer Weiterentwicklung und Differenzierung zur stammesgeschichtlichen Grundlage der heute lebenden Artenvielfalt vom Einzeller bis hin zum Säuger und zur selbsternannten „Krone der Schöpfung“, dem Homo sapiens. Die Arterhaltung der verschiedenen Spezies geschieht dabei auf vielfältige Weise von der ungeschlechtlichen Fortpflanzung, über weitere Biomechanismen der Reproduktion (Parthenogenese, Autogamie, Zytogamie, Sprossung/Knospung) mit wechselnden Übergängen bis hin zur ausschließlich geschlechtlichen Fortpflanzung. Während die ungeschlechtliche Fortpflanzung den permanenten Fortbestand und somit das ewige Leben der Ausgangsgeneration beinhaltet (mitotische Zellteilung) hat die sexuelle Fortpflanzung immer den genetisch programmierten Tod der Elterngeneration zur Folge. Betrachtet man die Reproduktionsstrategien, dann fällt auf, dass einerseits das Überleben durch sehr hohe Reproduktionsraten (Insekten, Parasiten) gesichert wird, während  bei anderen Spezies mit geringeren Nachkommenzahlen die Überlebenschancen durch die Brutpflege (Säugetiere, besonders Mensch) kompensiert wird.

 
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Von der natürlichen zur kontrollierten Fortpflanzung

 
 

Wie auch immer das Leben entstanden sein mag, im Gegensatz zu seiner Entstehung ist die Reproduktion respektive die Fortpflanzung des Lebens weitestgehend erforscht und damit der willkürlichen Manipulation durch den Menschen ausgeliefert. Annahmen zufolge begann die Domestikation des Wolfes zum Hund bereits vor ca. 16.000 Jahren während Schaf und Ziege vor 11.000 Jahren domestiziert wurden. Hinweise zur vor- und frühgeschichtlichen Tierhaltung finden sich im Alten Testament (Noah-Erzählung) und dem Gilgamesch Epos aus dem Zweistromland. In unterschiedlich großen Abständen und verschiedenen Regionen unseres Planeten folgten die übrigen heute als landwirtschaftliche Nutztiere gehaltenen und anderen Haustiere bis hin zum Neumühle-Riswicker Hirsch. Als bedeutsame Weiterentwicklung der Domestikation kam es zur Selektion auf spezifische Leistungen (Fleisch Milch) und die Konditionierung der domestizierten Tiere (Kastration, Nutzung als Last- und Zugtiere [siehe dazu: DOMESTIKATION, Verarmung der Merkwelt von H. HEMMER, Verlag Vieweg]). Die Einflussnahme des Menschen auf die Reproduktion dieser Tiere erfolgte im Laufe der Zeit immer zielgerichteter und effektiver vermittels geplanter Anpaarung, durch populationsgenetische Zuchtprogramme (KRÄUSSLICH, AVERDUNK), via instrumenteller Samenübertragung (siehe unten) und molekularbiologischer Techniken bis hin zu den assoziierten Biotechniken unserer Tage (Spermadifferenzierung, Mikromanipulation an Embryonen, Genomanalyse, Klonen [WILLARDSEN, WILMUT, CAMPBELL u.a.]).

 
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Bereits der Philosoph ARISTOTELES (384 - 322 v. Ch.) formulierte zu Zeiten der griechischen Antike seine Betrachtung zur Entstehung des Lebens, während die erste künstliche Samenübertragung, einer Sage zufolge, den Arabern im 14. Jahrhundert beim Pferd gelungen sein soll. Nach weiteren Berichten wurden im 16. Jahrhundert zielgerichtete, aber vergebliche Versuche zur künstlichen Befruchtung von Seidenraupeneiern (MALPHIGI und BIBIENA) gemacht. Nach der Erfindung des Mikroskops (HAMM und LEUVENHOECK 1677) und der Entdeckung der Spermien, die als „Samentierchen“ bezeichnet wurden, folgten erfolgreiche Besamungsversuche an Fischeiern (JACOBI 1725 und VELTHEIM 1763). Desweiteren ist gleichfalls gesichert überliefert, dass der Abt von Pisa SPALLANZANI 1785 eine Hündin erfolgreich besamte, die danach drei gesunde Welpen zur Welt brachte. In der Folgezeit berichteten Humangynäkologen verschiedener Länder über die Samenübertragung beim Menschen. Hierüber kam es gegen Ende des 19. Jahrhunderts zu einem wissenschaftlichen Disput, der zu Folge hatte, dass durch den Erlass einer päpstlichen Bulle 1897 die „künstliche Besamung“ verdammt wurde. Dazu erfolgte ein Verboten, sich mit dieser unmoralischen Tätigkeit zu befassen. Weiteren Berichten zufolge wurden Hundebesamungsversuche von PLÖNIS und ALBRECHT wiederholt, während um die vorletzte Jahrhundertwende, also vor über 100 Jahren, von Versuchen zur Pferde- und Hundebesamung aus Russland, Amerika und Australien berichtet wird. Neben anderen war es besonders der Russe IWANOW, der mit Methoden der Spermagewinnung und weiteren technischen Verbesserungen entscheidend zur Entwicklung der künstlichen Besamung bei landwirtschaftlichen Nutztieren beitrug. Nach den katastrophalen wirtschaftlichen Auswirkungen der Oktoberrevolution erfolgte in Russland eine weite Nutzung und Verbreitung der künstlichen Besamung wie auch in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg.

In Deutschland waren es vor allem GÖTZE und SELL, die zuerst unabhängig voneinander versuchten, die künstliche Besamung beim Rind einzuführen, während schon 1941 die erste Besamungsstation als Bullenhaltungsgenossenschaft in Pinneberg gegründet wurde. Der erste in Deutschland tätige Besamungstechniker KRAUSS, ein deutsch-russischer Zootechniker, der auf einer Kolchose bei Taschkent besamt hatte, kam in den Jahren 1943/44 nach Deutschland und über die Tierärztliche Hochschule Hannover nach Pinneberg. Dort fuhr er bis Kriegsende mit Pferd und Wagen auf Besamungstour. Auf Befehl der alliierten Kriegsmächte musste er im Sommer 1945 wieder nach Russland umsiedeln, wo sich seine Spur verliert. In Bayern war es dann der Amtstierarzt EIBL der in den Jahren nach dem letzten Krieg mit der Besamungsstation Neustadt a. d. Aisch ein Besamungsimperium schuf, das neben einschlägigen Forschungsarbeiten in der Reproduktionsbiologie mit Wissensvermittlung und Spermaexporten weltweit agiert. Auch in der sowjetisch besetzten Zone und späteren DDR erfuhr die künstliche Besamung eine intensive Verbreitung bei hohem technischen Stand durch Männer wie: STRASSBURG, HOFMANN, LIEBENBERG und andere.

 
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Die heute weltweit standardisierten Techniken der instrumentellen Samenübertragung beinhalten außer der seit gut 50 Jahren angewandten Tiefgefrierkonservierung von Sperma (biologische Halbwertszeit  >10.000 Jahre)  den Einsatz männlich oder weiblich determinierender Spermien von erbwertgeprüften und neuerdings auch von genomisch selektierten Vatertieren. Durch den Einsatz dieser züchterisch selektierten Gene via künstliche  Besamung und Embryotransfer zur Leistungsverbesserung einheimischer Populationen in Entwicklungs- und Schwellenländern kommt es zu einer unwiderruflichen Verarmung des Gespoolt der betreffenden Tierart mittels Verdrängungskreuzung bzw. Nutzung als Rezipienten für den Embryotransfer. Besonders betroffen sind Rinderpopulationen der beiden Spezies Bos taurus und Bos indicus. In der Tierzucht werden durch Genmodifikation Tiere zur Medikamentenproduktion (a1-Antitrypsin, a-Interferon) befähigt, wie auch die Töchter des transgenen Bullen Herman in Holland Lactoferrin in der Milch anreichern (siehe Wikipedia „Herman the Bull“). Die weiteren biotechnischen Reproduktionsformen wie In-vitro-Fertilisation (IVF), intrazytoplasmatische Spermainjektion (ICSI), Mikromanipulation an Embryonen zur  Produktion eineiiger Zwillinge, Klone, Chimären, usw.  seien nur exemplarisch am Rande erwähnt. Allein die Reproduktion manipulierter Stammzellen (somatischer wie embryonaler), die sich noch in ihrem Anfangsstadium befindet eröffnet Perspektiven, deren Grenzen in der Unendlichkeit zu liegen scheinen. Zurzeit ist in der Humanmedizin der Einsatz der Stammzelltherapie zur Heilung von Geweben und Organen beim Menschen noch begrenzt, weil die für therapeutische Zwecke verwendeten Stammzellen mitunter wie Krebszellen unkontrolliert wachsen.

Die in immer kürzeren Zeitabschnitten erreichten Zielsetzungen sollen stellvertretend  für andere Produktions- und Wissensbereiche allein an unseren domestizierten Hausrindern aufgezeigt werden: Produzierten die Wildrinder gerade genug Milch um ihre Nachkommen zu ernähren, wofür kaum 800 l pro Laktation nötig waren, so produzierten sie nach etwa 10.000 Jahren Domestikation zu Beginn des 20. Jahrhunderts über 1.000 bis 1.500 l pro Laktationsjahr. Fünfzig Jahre später, in der Mitte des letzten Jahrhunderts, ist die Milchproduktion der Zweinutzungsrassen (Milch- und Fleischproduktion) um 3.000 l/Jahr, während die mehr auf Milchleistung gezüchteten Schwarzbuntrinder zur gleichen Zeit schon 4.500 bis 5.000 l gaben. Weitere 50 Jahre später, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, produzierte die schwarzbunte Bundesdurchschnittskuh knappe 8.000 l/Jahr. Die leistungsstarken Vertreter dieser Rasse, die jetzt als Holsteinfriesen gezüchtet und bezeichnet werden, kommen auf weit über 10.000 l/Jahr mit einem gesteigerten Anteil an wertvollen Milchinhaltstoffen (Neutralfette, Milcheiweiß, Mineralstoffe, Vitamine). Spitzenleistungen einzelner Vertreter der Rasse Holsteinfriesen kommen inzwischen auf 15.000 l im Jahr und mehr.

 
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    Ausblick

 
 

Diese Leistungssteigerung ist in ihrem Verlauf etwa der e-Funktion, Vergleichbar in der sich die Steigerung in immer kürzer werdenden Zeitabschnitten verdoppelt und ab dem Erreichen der maximalen Steigerung weniger zunimmt, um schließlich in der Unendlichkeit auf dem höchsten Niveau parallel zur Zeitachse zu verlaufen (theoretisch dann, keine weitere Leistungssteigerung). Unabhängig von dieser Interpretation muss jedoch einschränkend bedacht werden, dass sich biologische Systeme (siehe Milchkuh) nicht zwangsläufig ad ultimo mathematisch ausdeuten und nach ihren Leistungsmerkmalen  vorhersagen lassen.

Die Reproduktion/Fortpflanzung als vitales Motiv zur Arterhaltung wird sich, abgesehen von Mutationen, nach wie vor in Form der identischen Reduplikation vollziehen (Ordnung im Wandel), nur ist zu erwarten, dass die Manipulation durch den Menschen, zu seinem Nutzen, noch weiter vertieft wird.  

 
                zurück     GÖRLACH, A. (2012): BTB-Informationsblatt 184, 7