Leseprobe

            
             
        

10. Kapitel

Wieder in Körner

 

Als ich 1953 mit 15 Jahren Körner verlassen musste, weil unsere Familie des Kreises verwiesen war, ahnte ich noch nicht, dass ich danach unseren Bauernhof, die Münze, noch ein paar Mal als Unbefugter besuchen sollte, bis ich endlich kapierte, dass ich dort nichts mehr zu suchen hatte. Denn getrieben von einer unerklärlichen Neugier, bin ich trotz Verbotes in unserem zuerst noch unbewohntem Haus, den Stallungen und der Scheune herumgeschlichen, genoss die mir vertraute Umgebung und hatte ein eigenartiges Gefühl von Daheimsein und Angst, erwischt zu werden.

Gerne hätte ich das eine oder andere Erinnerungsstück mitgenommen, denn alles Inventar und den größten Teil der Einrichtung im Haus hatten wir zurück gelassen; ich traute mich aber nicht, irgendetwas mitgehen zu lassen. Denn am Hofeingang war ein großes Schild mit der Aufschrift: „Das Betreten des Gehöftes (oder so ähnlich) ist für Unbefugte polizeilich verboten, der Bürgermeister“.
Unbefugt war ich wohl mehr als andere, was mir Kurti, ein ortsansässiger junger Mann, der manchmal einen über den Durst trank, an einem Sonntagnachmittag beibrachte. Er hatte erfahren, dass ich mich dort herumdrückte und durch einen Spalt in den verschlossenen Treckerschuppen gekrochen war, wo unser LANZ Bulldog stand. Angetrunken und aggressiv stellte er mich zur Rede und prügelte plötzlich auf mich ein. Er war ein paar Jahre älter als ich und mir damals körperlich überlegen, so dass ich mich kaum dagegen wehren konnte.

Die Heldentat dieses selbsternannten Ordnungswächters habe ich als arge Kränkung in Erinnerung behalten und wünschte mir ihn irgendwann wieder zu treffen. Nach der Wiedervereinigung plante ich deshalb, ihn bei einem meiner ersten Besuche in Körner aufzusuchen, um mich mit ihm darüber zu unterhalten. Ich erkundigte mich und erfuhr, dass er nach wie vor noch im Orte wohnte, aber körperlich sehr abgebaut habe und in kläglicher Verfassung sei. Unschlüssig ihn zu besuchen, ließ ich erst einmal von meinem Vorhaben ab. Bei einem späteren Besuch  in Körner hörte ich, dass er inzwischen verstorben war und so mein Wunsch, ihn noch einmal zu treffen, unerfüllt bleibt.