Leseprobe

            
             
               

8. Kapitel

Embryotransfer

 

Als Student habe ich in Vorlesungen erstmals vom Embryotransfer (ET) gehört und bei einer klinischen Demonstration 1972 dabei auch assistiert, ohne zu ahnen, dass ich die meiste Zeit meines Berufslebens als Tierarzt mit dem ET verbringen sollte. Denn für die damals operative Methode der Embryogewinnung und Übertragung konnte ich mich zunächst nicht begeistern, weil ich nicht gerne operierte. Die Operationsübungen hatte ich im Studium mehr aus Pflicht als mit Interesse hinter mich gebracht und mit gutem Ergebnis abgeschlossen. Ich weiß nicht, warum ich die populäre Kunst der Chirurgie nicht besonders mochte. Vielleicht litt ich in jungen Jahren an einer übersteigerten Empathie. Wie dem auch sei, gereizt von einem überaus interessanten Stellenangebot, vertauschte ich meinen Job als Reisender in Sachen „künstliche Besamung“ bei meiner alten Firma SPERMEX, gegen den ET bei der Besamungsstation in Neustadt/A. Ich avancierte zum Abteilungsleiter, und weil dem ET als neuer und hoher Technologie der modernen Biotechnik allgemeine Bewunderung zuteil wurde, reizte es mich, daran teilzuhaben. Meine vorgesetzten Direktoren verfuhren großzügig mit mir und gaben mir ausreichend Gelegenheit mich in die neue Materie einzuarbeiten. Mein Mentor Herr Professor H. von der TIHO-Hannover vermittelte mir, wie ET-Programme organisiert und technisch durchgeführt werden. Dazu wurde ich als Hospitant nach England und in die Normandie nach Frankreich geschickt, um bei den dort tätigen ET-Teams noch etwas dazuzulernen. Danach konnte ich noch eine Woche an der Universität in Kopenhagen am ET in Dänemark teilhaben und bekam den letzten Schliff.

 

Die zunächst experimentell durchgeführten ET-Programme wurden immer mehr durch kommerzielle ET-Zuchtprogramme abgelöst; ich mutierte vom Antichirurgen zu einem routinierten Operateur, der sein Handwerk bald beherrschte und am Ende auch gerne operierte. Doch über die Jahre setzte sich langsam die so genannte unblutige oder nichtoperative Methode des ET durch, die nach großen Anfangsschwierigkeiten einen enormen Fortschritt für das Verfahren ab Mitte der 80iger Jahre mit sich brachte. Bei den Untersuchungen zur neuen Methode der unblutigen Embryoübertragung brauchten wir neben unseren eigenen Tieren auf der ET-Station weitere Versuchstiere, von denen wir Embryonen gewinnen und solche, in die wir die Embryonen übertragen konnten. Dabei kam es mir sehr zustatten, dass ich bei den Bauern, bei denen ich 20 Jahre vorher als Besamungstechniker Kühe besamt hatte, mit Embryonen experimentieren konnte. Denn mein Nachfolger als Besamungstechniker in dieser Region wie auch die Bauern waren mir zugetan und stellten mir Schlachtkühe für Versuche zur Verfügung, so dass ich keinen Mangel an Probanden hatte. Für die Züchter war es insofern auch interessant, an diesen Experimenten teilzuhaben, als sie kostenlos an mehr oder minder gute Embryonen bzw. Kälber kamen, wenn wir erfolgreich waren, aber auch keinen Verlust hatten, falls der ET erfolglos verlief, weil bei diesen Untersuchungen kein Geld im Spiel war. Mir kam auch zu statten, dass ich als Besamungstechniker schon tausende Kühe