Leseprobe

            
             
               

4. Kapitel

Im Goldenen Westen

 

Bei meiner Ankunft in Hannover am 28.07.1959 hatte ich die Alternativen, mich mit einem Begrüßungsgeld als Urlauber für ein paar Wochen in den Jugendherbergen der BRD über Wasser zu halten, als Flüchtling ins Notaufnahmelager nach Gießen oder Hammelburg zu gehen oder nach Arbeit zu suchen. Mit letztleseprobe04erem habe ich gleich in Hannover angefangen, aber nichts gefunden. Denn als arbeitsuchender Besamungstechniker bin ich zwar irgendwie im Institut für Haustierbesamung und Andrologie der Tierärztlichen Hochschule Hannover gelandet, erfuhr aber nur, dass in Niedersachsen Besamungstechniker keine Zulassung für die Durchführung der künstlichen Besamung hatten, denn das war dort, wie in den meisten Bundesländern der alten BRD, allein Sache der niedergelassenen  Tierärzte. Dennoch bin ich freundlich aufgeklärt und beraten worden, mein Glück in Schönböken, Schleswig-Holstein oder Neustadt an der Aisch, Bayern zu versuchen, denn nur in diesen beiden Bundesländern durften außer Tierärzten damals auch Besamungstechniker Kühe besamen.

 

Ohne viel Zeit zu verlieren, bin ich per Autostop gen Süden getrampt; als ich Neustadt an der Aisch erreicht hatte, ging ich gleich zur Besamungsstation, um nach Arbeit zu fragen. Ich hatte Glück, wurde von der Stelle weg angestellt und auf der Station einquartiert. In der Hoffnung, bald wieder als Besamungstechniker tätig sein zu können, habe ich zunächst abwechselnd im Bullenstall und in der Abteilung Landwirtschaft als Treckerfahrer gearbeitet. Meine Stimmung wechselte mit der unterschiedlichen Arbeit, die ich erledigen musste, und ich war froh, dass niemand aus meinem alten Bekanntenkreis sah, wie es mir ging. Die schweißtreibende Heuernte war mir so zuwider wie das tagelange Kalk- und Thomasmehlstreuen (es kann auch Kalkstickstoff gewesen sein) oder die anderen diversen Feldarbeiten. Da ich mich mit den vielen verschiedenen Äckern, die zur Besamungsstation gehörten, nicht auskannte, habe ich beim Kopfdüngerstreuen die Wiese eines Nachbarn gleich mit gedüngt, was mir große Sorge machte, weil Kopfdünger sehr teuer ist und ich nicht wusste was zu meinen Lasten daraus entstehen würde. Der Verwalter, dem ich ein williger und fleißiger Arbeiter war, hat mir angedeutet, dass die Sache wohl im Sande verlaufen würde; so war es dann auch. Nur die Bauern in Neustadt haben sich noch längere Zeit darüber amüsiert, dass die Besamungsstation die Wiesen ihrer Nachbarn gleich mitdüngt und spotteten, dass man sich so etwas gut gefallen lassen könne.