Leseprobe

               
               
               

2. Kapitel

Weg von zu Hause

 

Immer mehr hatte ich das Einerlei auf unserem Bauernhofe satt und wollte weg von zu Hause, nur war das leichter erträumt als verwirklicht, wie sich noch zeigen sollte. So verplemperte ich eine ganze Weile in Aschara, bis mir meine Mutter irgendwie eine Stelle als landwirtschaftlicher Lehrling auf dem Staatsgut in Sambach bei Mühlhausen besorgte. Dort habe ich als Lehrling angefangen, ohne zu erkennen, dass ich damit eine große Chance hatte, mein Vorleben als Sitzenbleiber wettzumachen. Denn jetzt ging ich ohne jedwede Diskriminierung zur Berufsschule, erfüllte eine ganze Weile die an mich gestellten Anforderungen und hätte eine landwirtschaftliche Lehre abschließen können. Aber veranlasst durch schlechte Beratung bei einigen vermeintlichen Ungerechtigkeiten, die mir in Sambach widerfahren waren, und vor allem, weil ich nicht kapierte, dass diese Lehrstelle eine gute Alternative zu allem anderen war, was sich mir sonst bot, schmiss ich nach ein paar Wochen alles wieder hin.

Zu Hause dämmerte mir mit der Zeit, dass ich wohl einen großen Fehler gemacht hatte, der nicht rückgängig zu machen war. In Aschara wollte ich in der neu eingerichteten MTS (Maschinen-Traktorenstation) als Treckerfahrer anfangen, bekam aber keine Zustimmung von meinen Eltern, weil bei der MTS zu viel gesoffen wurde, wie es hieß. Überhaupt wurde bei uns in der Familie alles, was mit der neuen sozialistischen Welt und insbesondere mit der Kollektivierung der Landwirtschaft in irgendeinem Zusammenhang stand, herabgewürdigt und abgelehnt. Diese Ablehnung, mit der ich mich auch identifizierte, muss wohl so auffällig gewesen sein, dass sie bei der STASI aktenkundig wurde. Denn in einem Bericht meiner STASI-Akte heißt es dazu wörtliches: „Alles in allem möchte ich einschätzen, dass es die beiden Eltern verstanden haben, alle 4 Kinder von unserer soz. Landwirtschaft fernzuhalten, obwohl beide Elternteile seit Generationen Bauern waren“, gez. Gasmann. Über einen Anwalt habe ich schließlich auch die reale Identität des IM Gasmann erfahren, die ich aber niemandem preisgegeben habe, da seine Berichterstattung mehr moderat als bösartig war.