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1.
Kapitel
Klassenziel
nicht erreicht
In der acht Klassen
zählenden Volksschule meines Heimatdorfes Körner in Thüringen bin ich
zweimal sitzen geblieben. Das erste Mal in der fünften und das zweite
Mal in der siebten Klasse. Als ich das erste Mal nicht versetzt wurde,
war das eine schlimme, schlimme Sache für mich, und ich hätte damals
nicht nur alles für meine Versetzung gegeben, was ich zu geben im Stande
gewesen wäre, sondern hätte auch bedingungslos jeden bedenklichen Scheck
auf meine Zukunft unterschrieben, wäre ich dafür nur versetzt worden.
Der Teufel war an meiner kleinen Seele offenbar nicht interessiert oder
er hat mich übersehen, denn sonst hätte er mit mir ein Geschäft machen
können.
Dass es mit dem
Sitzenbleiben seine Richtigkeit hatte, zweifelte außer mir selber
sicherlich niemand an. Deshalb nutzte es mir auch nichts, als ich nach
den Schulferien in meinem alten Klassenraum erschien, dass ich meinen
bis dahin angestammten Platz wie selbstverständlich einnahm und mich
nicht vom Fleck rührte, als ich in die andere Klasse umziehen sollte. Am
Ende musste ich dann aber doch nachgeben, und ich erinnere mich gut, wie
mich zwei Klassenkameraden eine Treppe nach unten begleiteten, wo mir
mein neuer Platz in einer Klasse zugewiesen wurde, in die ich um nichts
in der Welt wollte. Das war für mich sehr demütigend, aber mit den
Jahren hat sich der Schmerz langsam verflüchtigt, und heute nach über
einem halben Jahrhundert ist nur noch die Erinnerung daran geblieben.
Schade, schade, dass ich nicht ahnen konnte, dass das Sitzenbleiben und
die Prognosen zu meiner Zukunft so wie auch die Beurteilungen meiner
damaligen Lehrer immer unwichtiger und schließlich ganz und gar
bedeutungslos werden sollten. Es war damals auch kein Trost für mich,
dass Franz1, ein Klassenkammerad, mit dem ich eingeschult
worden war, wie ich die Versetzung in die sechste nicht schaffte. Wie
bedrückend es für ihn war, habe ich entweder nicht erfahren oder
vergessen, obgleich ich mich gut an ihn erinnern kann.
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